Mit dem letzten Wochenende kamen unsere Seminare mit Lehrer Yu zu einem Ende. Am Montag flog er bereits wieder zurück nach Shanghai. Vor seinem Abflug hatten wir aber noch drei Taiji-Waffenseminare von je einem halben Tag vor uns: Säbel, Stock und Speer. Wer wirklich fortgeschrittene Waffenformen im Taiji-Bereich lernen möchte, hat es nicht einfach. Nebst der 42er-Schwert-Wettkampfform gibt es kaum allgemein bekannte Formen, die Ansprüche von Leuten, welche schon lange, fleissig und auf hohem Niveau Taijiquan machen, befriedigen. So haben wir in den letzten zehn, fünfzehn Jahren versucht, diese Gebiete in unserer Schule weiter zu entwickeln. Lehrer Yu, als langjähriger Wushu-Athlet und Trainierender bei Fu Zhongwen, der Yangstil-Legende aus Shanghai, war für diese Entwicklungsarbeit geradezu prädestiniert. So entwarf er nach und nach Taiji-Formen für Schwert, Säbel, Stock und Speer, welche zum einen möglichst alle üblichen Techniken beinhalten und zum andern einen Schwierigkeitsgrad ihr eigen nennen, die ein langjähriges und beharrliches Üben von Taiji mit und ohne Waffen voraussetzen.
Lehrer Yu wird dieses Jahr 70 Jahre alt und er beeindruckt uns jedes Jahr nur noch mehr. Ich selber bin überzeugt, dass man ihn in China einen "tiancai" nannte, einen vom Himmel Auserwählten. Seine Bewegungen sind auch jetzt noch von einer beeindruckenden Geschmeidigkeit, die Waffenführung über jeden Zweifel erhaben, sein Erkennen und Beheben von Fehlern im Training einzigartig. Er ist beseelt von dem Gedanken, alles zu geben, nichts zurückzuhalten, jede Frage à fonds zu beantworten. Trotz all seinen Erfolgen blieb er bescheiden und lebt eine berührende Demut vor. Trotz allem ist er Mensch geblieben und ein "Meistergehabe" liegt ihm fern.
So hoffe ich und mit mir zusammen all jene, die ihm nun so lange Jahre durch alle Seminare gefolgt sind, dass uns noch einige Jahre mit ihm vergönnt sein mögen.