Ich bin ja mittlerweile seit sechs Tagen hier in Beijing (seit dem 9. Oktober). Der «Beijing-Alltag» hat mich rasch eingefangen, will heissen, das Training und das Aussuchen/Bestellen von neuer Ware für unser Lager in der Schweiz. Seit es die reine Ausländerklasse im Taijiquan nicht mehr gibt, bleibt nur noch das Training in der Klasse der angehenden SportlehrerInnen.
Taijiquan hat sich in den letzten Jahren zum Spitzensport mit Höchstschwierigkeiten entwickelt, so dass man selber ebenfalls Spitzensportler sein sollte, um da einigermassen mithalten zu können. Die Klasse hat sich aber glücklicherweise auf ein Turnier vorbereitet, an dem auch die üblichen Wettkampfformen gefragt waren, so dass meine Form, Chenstil 56, gut passte. Aber die Grundschule findet natürlich auf einem Niveau statt, bei dem einem Hören und Sehen vergeht. All die Sprünge, welche man früher vom Taijiquan fernhielt, sind nun auch da Grundvoraussetzung. Entsprechend hat sich das Training im Taijiquan verändert und alle hier haben eine Wushu-Grundausbildung. Weil der Wettkampf anstand, hatte Lehrer Huang natürlich kaum Zeit für mich. Zudem flog er bereits vorgestern Donnerstag nach Lanzhou an einen Anlass. Insofern war das Training leider nur teilweise befriedigend.
In den letzten Jahren haben die Aufenthalte in China immer auch der Vorbereitung einer möglichen nächsten Gruppenreise nach China gedient. Irgendwann müsste dann zwar mal fertig sein damit, aber ich tue mich etwas schwer mit diesem Entscheid. Die Reisen waren stets herausragende Ereignisse mit vielen glücklichen Gesichtern, so auch wieder die Reise 2015. Insofern mache ich aktuell alles so, als würde es nochmals eine Reise geben und schaue mir dieses und jenes neu bzw. nochmals an. Es gibt ja offenbar Leute, die bereits wieder fest mit einer Reise 2018 rechnen...wir werden sehen.
So war ich am Mittwoch in den Hutongs (den berühmten Altstadtgassen Beijings) im Gebiet des Glocken- und Trommelturms. Glocken- und Trommelturm bildeten in Chinas Städten ein Zweiergespann u.a. zur Angabe der Zeit, welche schon damals mit ausgeklügelten Systemen korrekt eruiert wurde. In Beijing bilden diese zwei Gebäude den nördlichen Abschluss der kaiserlichen Nord-Süd-Achse, auf der sich z.B. auch die verbotene Stadt befindet. Die Hutongs wurden lange Zeit gnadenlos abgerissen und durch moderne Hochhäuser ersetzt. In den letzten Jahren ist allerdings auch ein Umdenken zu erkennen, aber nicht in jedem Fall. In aller Regel schätzten die Einwohner der Hutongs den dort herrschenden Mikrokosmos, auch wenn die Häuser oft keine eigenen sanitären Einrichtungen besitzen (die Toilette ist somit ausserhalb) und alles eher klein und eng ist. Meist wären die Leute lieber geblieben, als in eine neue, grössere Wohnung mit allem Standard am anderen Ende der Stadt umzuziehen.
Etwas Neues habe ich auch noch gelernt: Ein Lehrer machte mit seinen SchülerInnen einen Ausflug in die Hutongs und erklärte ihnen, wozu der grosse Stein vor dem Haus diente: Um aufs Pferd zu steigen! Der Stein hiess denn auch sinnigerweise: Shang ma shi (wörtlich: hochsteigen, Pferd, Stein). Für alles Weitere verweise ich auf die Bilder.
Am Freitag verbrachte ich den Tag im Kunstbezirk 798. In einem alten Industriebezirk, der durch die damalige DDR geplant und unter deren Führung verwirklicht worden ist, haben sich in den letzten Jahren zahlreiche Galerien, Künstlerateliers und Boutiquen angesiedelt. Im letzten Herbst war ein schöner Teil unserer Gruppe hier. Ich konnte leider nicht hin, da ich...Waren und Kleider für die Schule einkaufen musste. Den Besuch habe ich nun nachgeholt. Am meisten beeindruckt hat mich der Maler Cao Yong (Yong ist der Vorname und bedeutet «Held»). Aber es würde zu weit führen, hierzu noch weiter auszuholen. Aber es ist spannend, wie es im Bezirk 798, einem Moor gleich, überall blubbert und spriesst und lebt. Der Komplex ist aber riesig und ich habe in einem Tag sicherlich nicht alles gesehen.
Mein nächster Ausflug gilt nun einer alten Bekannten: Der Grossen Mauer bei Mutianyu.