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Wushu Akademie Schweiz
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News 11, Chinareise 2015: Xi'an, pulsierende, alte Kaiserstadt, Bewahrerin der Terrakotta-Armee

Vom Smog geplagte Hauptstadt Shaanxis

Das war meine Sicht auf den Glockenturm aus meinem Hotelzimmer hinaus. Da treffen die Hauptachsen von Ost-West und Nord-Süd aufeinander.
Die Reaktion, wenn jemand zum ersten Mal die Grube Nr. 1 der Terrakotta-Armee betritt, ist stets gleich. Selbst wenn man schon Bilder davon gesehen hat, es ist immer wieder überwältigend, mit eigenen Augen zu sehen, wie gross die Terrakotta-Armee ist (rund 6'000 lebensgrosse Tonfiguren alleine in dieser Halle, wovon aber noch nicht alle ausgegraben und restauriert sind).
Die Streitmacht aus einem andern Winkel. Die Armee sollte den Kaiser im Jenseits beschützen. Alle Soldaten blicken nach Osten, zum eigentlichen Grab des Kaisers, welches rund 1.5 km westlich der Terrakotta-Armee liegt und welches man bislang noch nicht zu öffnen gewagt hat. Dank der Terrakotta-Armee weiss man nun auch mehr über die Strategie und Formation der Armee zur Zeit der Qin-Dynastie.
Im Museumsladen kann man solche Nachbildungen kaufen. Früher war jede Figur bemalt. Bei den zu sehenden Figuren hingegen ist die Farbe weg, weil sie ohne Konservierungstechnik unmittelbar nach der Ausgrabung zerfällt.
In einer weiteren Halle fanden wir diesen prachtvollen Krieger. Die Figuren trugen früher alle Waffen, welche jedoch entweder gestohlen, zerstört oder verrottet sind.
Dieser Bogenschütze erinnert mich jedes Mal ans Wushu, weil er einen Ausdruck und eine Körperhaltung hat, der jedem Wushu-Sportler gut stehen würde.
Fast nicht zu fotografieren, weil sich so viele Menschen darum herum drücken und es zudem dunkel ist: Der «bequeme Wagen» aus der Wagenkolonne des Kaisers, welcher wohl Ministern und Frauen als Transportmittel diente. Dieser Bronzewagen zeigt sehr deutlich, wie fortschrittlich die Metallherstellung- und bearbeitungskunst der Qin-Zeit war.
So sieht das ganze Gespann aus.
Im Bild das andere Gespann mit dem «hohen Wagen», der den Streitwagen eines Generals darstellen könnte. Im Gegensatz zu einem normalen Streitwagen hat dieser hier einen Schirm als Dach. Beide Bronzewagen wurden in jahrelanger Handarbeit restauriert. Sie bestehen aus je rund 3'000 Einzelteilen. Es werden in den Gruben rund um das Grab des Kaisers weitere Wagen vermutet.
Wir sahen dann am Ende der Besichtigung diesen Wonneproppen.
Wir interessierten uns allerdings vor allem für seine Rückseite, wollten wir doch die gut sichtbare und weltberühmte Schnellfeuerhose im Bild festhalten.
Auf der Fahrt zum Flughafen von Xi'an kamen wir wieder an einigen Baustellen vorbei, wovon ich eine schnappschussmässig aus dem Bus heraus festzuhalten versucht habe. Auf dem Bild kriegt man wenigstens ein bisschen ein Gespür für den Smog von Xi'an.
Es ist Nachmittag um ca. 14 Uhr und der Smog kommt auf diesem Bild noch nicht mal richtig zum Ausdruck. Erneut habe ich eine riesige neue Wohnsiedlung im Bild festgehalten. Die Städte versuchen damit bereit zu sein, für die weiterhin in grosser Zahl vom Land in die Stadt drängende Bevölkerung. Andererseits scheint es aber auch vorzukommen, dass quasi auf Halde produziert wird, einfach, damit das Wachstum fortbestehen kann. Wobei, wenn da dann niemand einzieht, war dieses Wachstum nur für die Statistik.
Für den Smog verantwortlich sind sicherlich auch Kohlekraftwerke wie dieses. Es gibt davon um Xi'an herum insgesamt sechs. Allerdings hat die Heizperiode noch nicht begonnen, so dass der Smog-Höhepunkt wohl erst noch kommen wird. Durch den Smog kann man das Kraftwerk nur erahnen.
Dies ist das Schlussbild aus Xi'an. Der Glockenturm by night mit einer Belichtungszeit von 15 Sekunden aufgenommen, so dass die den Turm umfahrenden Autos nur noch als Lichtspuren zu erkennen sind.

Für fast alle Reisegruppen, welche erstmals China besuchen, ist Xi'an ein Muss, so wie die Grosse Mauer in Beijing. So haben auch wir Xi'an noch nie ausgelassen. Dafür gibt es vor allem einen Grund: Die unterirdische Armee, Terrakotta genannt, welche eine Grabbeigabe an den ersten Kaiser von China, Qin Shi Huangdi im Jahre 210 v. Chr. war. Mit Hunderttausenden Zwangsarbeitern liess er während 39 Jahren - und damit zwei Jahre über seinen Tod hinaus - an seinem Grabmal bauen. Die ganze Anlage wurde 1974 per Zufall durch Bauern, welche einen Brunnen ausheben wollten, entdeckt.

Xi'an ist zusammen mit Beijing die vielleicht geschichtsträchtigste Stadt Chinas, weil sie mehrere Dynastien lang die Hauptstadt war (die Hochzeit war die Tangdynastie von 618-907 n.Chr.). Sie war Ausgangs- und Endpunkt der Seidenstrasse und damit schon früh ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen. Davon zeugt auch heute noch eine grosse Muslim-Gemeinde in der Stadt. Xi'an hat zudem die grösste vollständig erhaltene Stadtmauer von ganz China und beherbergt mit dem Glocken- und dem Trommelturm weitere Wahrzeichen.

Xi'an hat aber auch heute viel zu bieten, ist sie doch die Provinzhauptstadt von Shaanxi, Zentrum der Industrie (hier werden z.B. viele Waffen für die Armee produziert oder auch Raketentechnologie für die Raumfahrt; gross ist auch die Automobilindustrie sowie der Bereich Telekommunikation). Die Stadt ist Sitz von 46 Universitäten (z.B. der einzigen Fremdsprachenuniversität von ganz Nordwestchina). Wie in vielen andern Städten Chinas, wird auch in Xi'an wie verrückt in die Infrastruktur investiert. Überall entstehen Strassen, Schnellzugstrecken, U-Bahnlinien, neue Flugzeugterminals und Pisten, Strassen, Autobahnen, endlos neue Wohnblocks (welche oft leerstehen) usw. In noch keiner Stadt wie Xi'an sahen wir die Auswirkungen dieses Booms, scheinbar ohne Rücksicht auf die Umwelt, so deutlich: Nirgends war der Smog sichtbarer als in Xi'an. Zudem trafen wir den Smog überall an, auf der Fahrt nach Wudangshan, bei den Terrakottakriegern (rund 20 km ausserhalb des Zentrums) sowie beim Flughafen (ca. 40 km vom Stadtzentrum entfernt). Hier hat Xi'an, wie ganz China, noch eine riesige Herausforderung zu meistern.

Für mich ist Xi'an zusammen mit Beijing und Shanghai, die Stadt, welche am meisten Emotionen auslöst. Hier trainierte ich 1996 (und später weitere Male) während vier Wochen in der Schule von Zhao Changjun, seines Zeichens 54facher chinesischer Meister. Er war stets weniger bekannt als z.B. Bruce Lee oder Li Lianjie (Jet Li), da er lange Zeit kaum über die Landesgrenzen hinaus bekannt war (allenfalls als Hauptdarsteller im Film "Die Tochter des Meisters"). Damals durchpflügte ich mit meinem Fahrrad jeden Morgen mehr einen Pfad, denn eine Strasse, um wohl in einer alten Fabrikhalle, die die Sporthalle der Schule von Lehrer Zhao war, mein Training zusammen mit vielen andern SchülerInnen zu starten. Heute ist dort eine mehrspurige Strasse, ein Fünfsternhotel usw.

Dort lernte ich aber auch Fanqiang kennen, ein "Tiancai", ein vom Himmel Auserwählter in Sachen Wushu. Selten habe ich einen begnadeteren Wushu-Sportler kennen gelernt. Er hatte eine stupende Technik und einen Ausdruck, wie man es in den heutigen Formen kaum noch sieht (und eben auch nicht mehr gleich benötigt). Er unterrichtete später mehrere Jahre an unserer Schule und verstarb dann leider viel zu früh bei einem Verkehrsunfall in der Schweiz. Hier lebten aber auch Schüler von uns mehrere Monate, ja z.T. Jahre für Beruf, Studium und Training. Zudem lernte ich hier über Fanqiang auch Lao Shi (den "alten" Shi, höfliche Anrede) kennen, einer seiner besten Freunde. Lao Shi ist unser Reisepartner in China und seit vielen Jahren in dieser Branche tätig. Er ist Garant dafür, dass unsere Reisen funktionieren. Mittlerweile sind wir selber Freunde geworden und Lao Shi war vor einigen Jahren zur 1. Augustfeier bei uns zu Hause in der Schweiz. Es sind also gleich mehrere Dinge und Ereignisse, welche mich mit Xi'an emotional verbinden.

Als wir am 19.10. in Xi'an von Wudangshan her ankamen, war nur noch das Abendessen fix. Alles andere liessen wir offen und die Leute haben denn auch intensiv davon Gebrauch gemacht, gingen auf die Stadtmauer Radfahren, zum Glocken- und zum Trommelturm und unternahmen noch andere Dinge. Ich selber habe mich hinter die Internetseite gemacht und ging nichts mehr anschauen. Von daher gibt es aus Xi'an nur wenige Bilder von meiner Seite. Heute dann haben wir uns - unvermeidlich - die immer wieder beeindruckende Terrakotta-Armee angeschaut. Nach dem Mittagessen ging es weiter an den Flughafen.

Jetzt, da ich das schreibe, sind wir bereits in Shanghai angekommen, der Grossstadt mit 23 Mio. Einwohnern am Huangpu-Fluss. Hier kommt ein anderer, für uns enorm wichtiger, Lehrer her: Yu Jiyuan, chinesischer Meister im Speer von 1975 und führendes Mitglied der 1. Delegation von Wushu-Sportlern, welche in den 70er-Jahren in Amerika Wushu-Vorführungen machte (Lehrer Yu erzählt immer wieder gerne von diesen Ereignissen, z.B. dass es damals mehr Aufpasser als Sportler in der Delegation gab...). Er hat vor allem die alte Trainergarde wie Charlie, Michi und mich stark geprägt und unsere Schule damals, Mitte der 90er-Jahre, erst so richtig aus den Startlöchern gebracht.

Für einmal bin ich textlich etwas länger geworden. Man möge es mir nachsehen.

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Dies ist das Schlussbild aus Xi'an. Der Glockenturm by night mit einer Belichtungszeit von 15 Sekunden aufgenommen, so dass die den Turm umfahrenden Autos nur noch als Lichtspuren zu erkennen sind.